Stein und Stern

In einer stillen Frühlingsnacht
Da lag ein Stein, ganz ohne Pracht
Am Wegrand nah, wo viele gingen
Manch Wandersleut vom Leben singen.

Doch kam wer will, nicht einer sah
Den grauen Stein, der ach so nah.
Sie sahen, grad wenn es dunkel war
Und wolkenfrei der Himmel klar
Zu Sternen auf die oben hingen
Ein Licht auf unsere Erde bringen.

Da wünschte sich der graue Stein
Laß mich ein helles Sternlein sein
Das mich, in mancher klaren Nacht
Die Menschen sehen und wohl bedacht
Sie sicher sind, dass sie allein
Nur winzig sind und all zu klein.

So lag das Steinlein traurig wach
Da fiel ein Licht vom Himmelsdach
Und was noch eben dunkel war
Schien plötzlich silbern, hell und klar.
Das Steinlein aber, ganz für sich
Schien gelblich grün und königlich.

Als da das Steinlein sich ansah
Und merkte erst wie schön es war
Da wollt es rufen in die Welt
Ich bin der schönste Stein am Feld.

Nur schliefen alle rings umher
Und keiner sah das Steinlein mehr
Als eben jener helle Strahl
Von selbst erlosch mit einem mal.

Und mit dem wunderlichen Schein
Ging auch der Glanz vom Steinelein
So hatte niemand je gesehen
Was mit dem Steinlein war geschehen.

Das Steinlein aber wusste schon
Das jeder Stern am Himmelsdom
Von nun an dachte, dass auf Erden
Ein grüner Stern wird liegen werden.

Eschenkinder

Ein Mädchen sitzt im Nadelwald
Und blickt auf eine Esche
Sie träumt von einem Jüngling bald
Der Süße zu ihr spreche
Der sie vom feuchten Erdenreich
Zu höhren Stühlen hebe
Und ehrlich ihr sein Herze schenkt
Das sie zum Himmel schwebe
Sie träumt von Kindern, Hof und Hund
Von Rosenblättern, Erdbeermund
Von Sonnenschein und Ruhm und Geld
Und alles stets vom Himmel fällt.
So sitzt sie, glaub ich, heute noch
Denn wer sich tief im Wald verkroch
Und wartet bis das Glück der Welt
Von selber vor die Füße fällt
Der wird erst dann auf´s Pferd geschnallt
Wenn´s Eschen gibt im Nadelwald.

Bauchfrei

Es soll mitunter Damen geben
Die kleiden sich, der Männer wegen
Mit möglichst viel das nichts bedeckt
Und das vielleicht Gelüste weckt.

So liegt ein Stück der Körperhaut
Dass manchmal sich nach außen traut
Grad da wo auch der Speisen Reste
Sich Platz gesucht zum Mittagsfeste.

Nun läuft, nicht nur bei Sonnenschein
Ein manches Mädel quer Feldein
Die Hose sitzt am Beckenrand
Das T-Shirt bis zur Brust gespannt.

Und zwischen Shirt und Hosenbund
Da drängt sich, Schicht für Schicht, ganz rund
Was seiner Zeit, in Öl ich schätz
Herr Rubens gut ins Bild gesetzt.

Es fragt sich zwar ob Rubens Stil
Noch heute jedem Mann gefiel
Doch muss man letztlich eingestehen
Wer nie was zeigt wird nie gesehen.

Die Tür zum Glück

Es stand an einer kleinen Wand
Herr Liebling, und mit einer Hand
Schlug er, was mir nicht ganz geheuer
Denn eignen Kopf gegen’s Gemäuer.

Zwar wunderte ich mich ein wenig
Doch war’s ja seine Mauer nämlich
Und auch der Kopf war schließlich sein
Drum mischte ich mich da nicht ein.

Ich ging nach Hause und zu Bett.
Doch war’s zu schlafen nicht so nett
Weil durch mein offenes Fenster hallte
Wie Lieblings Kopf zur Mauer knallte.

So lag ich bis zum Morgen wach
Und’s pochen ließ nicht einmal nach
Als ich zwar müd’ doch wutentbrannt
Zu Liebling ging und seiner Wand.

Grad wollt ich dort mein Wort erheben
Als ich da staunte was geschehen
Denn da wo einst die Mauer ging
Ein hoher Turm vom Himmel hing.

Mir blieb der Mund weit offen stehen
Als ich zum Turm hinaufgesehen
Es winkte dort und zwar halbnackt
’ne wunderschöne Frau herab.

Als ich mich wieder recht besonnen
Sah ich, der Liebling hat begonnen
Um’s mächtig seltsame Getürm
Ein Freudentanz rasch vorzuführ’n.

Es lag mir fern zu stör’n solch Sachen
Doch musst ich mich doch kundig machen
Und sprach: Entschuldigen Sie sehr
Wo kommt der Turm samt Frau denn her?

Er lachte nur und sang mich an
Dies wäre sein Traum von Jugend an
Doch hätt’ er’s letztlich, nach den Jahren
Sich gänzlich aus dem Kopf geschlagen.

Und wie er schlug so diese Nacht
Da hat er’s Wunderwerk vollbracht
Hat was er fast schon aufgegeben
Erwacht zu wahrhaft echtem Leben.

Drum sag ich mir seit jener Zeit
Es hält sich jeder Traum bereit
Zur Wirklichkeit noch einst zu reifen
Wenn wir nicht zwanghaft danach greifen.

Noch ein’s vergaß ich zu erwähnen
Der Liebling sitzt noch heut mit Tränen
Am Fuß von Turm und Frau herum
Denn er vergaß die Tür – wie dumm.

Mir fehlt etwas

Ich glaub’ ich hab die Heiserkeit
Weil ich so deutlich spreche
Vielleicht ist´s auch ’ne Amnesie
Weil ich so schlecht vergesse.

Es könnten auch die Augen sein
Die klarer sehen als früher
Wo möglich noch mein Schlüsselbein
Das Säcke schleppt und Bücher.

Bestimmt ist es ein Tinitus
Dass ich Befehle hören kann
Oder am Ende noch das Herz
Das seltner hüpft als anderswann.

Es bringt mich fast zum Wahnsinn
Dass ich so ruhig berechne
Wie in mei'm Hirn das Denken
Sich um sich selbst besteche.

Mit soviel schlimmen Leiden
Blieb nur der klare Schluss
Es soll der Arzt entscheiden
Was mir da Fehlen muss.

Der selbe hat nach Stunden
Mir nüchtern, klar gesagt:
Ihn fehlt die schwere Krankheit
Die viele Leute plagt.

Die meisten trifft es plötzlich
Und niemand wisse wann
Man diese Krankheit Kindheit
So leicht verlieren kann.

Das Fenster zur Welt

Die Frau Nasani blickt entspannt
Aus einem Loch in ihrer Wand
Und weil’s mit Glas nach außen trennt
Man’s für gewöhnlich Fenster nennt.

Sie hat sich’s Kissen gut platziert
Und sieht so zu, wer da spaziert
Vor ihrem Fenster auf und nieder
Zu jeder Zeit und immer wieder.

Die meisten die so vor ihr gehen
Kennt sie schon lang und kann schnell sehen
Ob’s bei Familie Erberei zum Sonntag gibt Kartoffelbrei
Oder die Frau von nebenan schon wieder hat ’nen neuen Mann.

So sitzt sie schon seit langer Zeit
Mal freundlich lieb, mal kampfbereit
Und denkt bei sich, was ihr gefällt
Dass sie die Welt in Fugen hält.

Doch wer sie sieht, denkt sich vielleicht
An was erinnert die mich gleich
Sie glotzt und gluckt mit dickem Bauch
Das tut ein Huhn im Käfig auch.

Man muss da schon die Frage nennen
Kann Frau Nasani noch erkennen
Ob sie nun hinter oder vor
Der Scheibe sitzt zum Lebenstor?

Sie hätte längst bemerken sollen
Dass niemand sich je Zeit genommen
Von draußen zu ihr rein zu gehen.
Um sie ins Leben mitzunehmen.

Da stellt man selber sich die Frage
Hält sich mein Leben in der Waage
Blick ich die Welt von außen an
Und nehm ein Stückchen teil daran?

Edelstein

Es glänzt der Edelstein im Licht
Doch täte er’s bei weitem nicht
Läg er noch da, wo seines Gleichen
In Dunkelheit die Zeit verstreichen.

Erst als man ihn herausgebrochen
Aus einer Ader rausgestochen
Und ihn mit anderm Stein geschliffen
Da ist ein Glanz zu ihm gewichen.

Es könnte also durchaus sein
Ein Edelstein find’ es gemein
Das man ihn aus seim’ Hause reißt
Und ihn mit andern Steinen beißt.

So ist das Funkeln jener Steine
In grün, gelb, rot, blau und in Seide
Bisweilen nicht als Lob gemeint
Sondern als Schimpfen und als Streik.