Der Dichter und der Lebemann

Es schreibt der Dichter gern vom Gestern
Und manchmal hört man ihn auch lästern
Über das Morgen, das vielleicht
Uns bald erreicht.

Warum, fragt mancher Lebemann
Fängt solch ein Dichter immer an
Zu schreiben was noch wird und war
Das scheint ihm sonderbar.

Na weil auch Dichter leben müssen
Und wenn sie leiden oder küssen
So ist´s nicht logisch all zu sehr
Sie schreiben hinterher!?

Und wenn sie nicht, nach schwerem Leiden
Uns später von den Zeiten schreiben
So träumen sie in Wortergüssen
Von ihren nächsten Küssen.

Der Dichter und der Rezipient

Es schreibt ein mancher Dichtersmann
So, dass keiner verstehen kann
Was er, in wilder Schöpferkraft
Verzapft...

Diffus Basalt zur Erde knallt
Und’s Rehgeäug am Moor gesäugt
Der Welten Abend winkt nervös
Unprätentiös.

Wer solch ein Wortgerüst entspinnt
Der fand bestimmt bereits als Kind
In seinem Schuh zu Nikolausus
Thesaurus.

Jetzt fang ich auch schon damit an
Doch tat ich’s nur damit es klang
Und damit keiner von euch weint
Gereimt.

Wem dies Gedicht nicht recht behagt
Und einfach „Blödsinn“ dazu sagt
Der wird vom herrschaftlichen Hause
Erklärt zum Kunstbanause.

Man muss bei Werken die sich reimen
Stets aufmerksam und ernsthaft bleiben.
Und selbst wer’s nicht verstanden hat
Der nickt im Takt.

Der Dichter und leere Blatt

Es fängt ein mancher Dichtersmann
Auf jedem Blatt was neues an
Und hat’s nach ersten Hindernissen
Wieder zerrissen.

Der Berg an Zetteln wächst heran
So dass man ihn kaum sehen kann
Wie er das nächste Blatt benutzt
Und es beschmutzt.

Ach, könnt er nur im gleichen Schritt
So schreiben wie sein Geist entglitt
Doch während er ihn niederschrieb
Er sich entzieht.

So wird ihm, mit zerzaustem Haar
Nach vierzehn Stunden endlich klar
Was er auf’s Blatt zu schreiben hat
Ganz knapp.

Er nimmt das letzte Stück Papier
Und schreibt, in schönster Schriftmanier
Ganz unten, auf den rechten Rahmen
Sein’ Namen.

Wenn man sein Buch nun kauft im Laden
Erhält man, an einem kleinen Faden
Damit man selber sich was denkt
Ein Stift geschenkt.

Und hat der Käufer ’s nicht vermieden
Und was erfolgreiches geschrieben
So steht ja, zu des Dichters Lohn
Sein Name schon.

Der Dichter und der böse Scherz

Es schreibt ein Dichter trotz Verdruss
Das man beim Lesen lachen muß
Wie er in Worte eingehüllt
Sich selbst zerknüllt.

Nun hätte es auch wenig Reiz
Zu schreiben von dem eignen Geiz
Denn wer will schon die schlechten Gaben
Von anderen Leuten bei sich haben?

Nehm’ wir als Beispiel dies Gedicht
Das du grad liest oder auch nicht
Bei dem du schwer am Rätseln bist
Ob es nicht purer Unsinn ist.

Da schreibt der Dichter nicht von sich
Und nimmt statt „Ich“ das „Du“ und „Dich“
Er packt sein ganzes Wortgestier
So dass du denkst, er schreibt von dir.

Doch muß man letztlich unterscheiden
Der eine schreibt um Scherz zu treiben
Und ernsthaft sich daran beglückt
Wenn er ein Lächeln zu dir schickt.

Ein ander’ hat zu seinem Scherz
Geschrieben von dem eignen Schmerz
Hat boshaft Zeilen drin versteckt
Das dir dein Spaß im Hals verreckt.

Der Dichter und der Geistliche

Ein Geistlicher zum Lebemann:
Was fang ich mit der Menschheit an
Sie klagt und schreit, steht still und weint
Sie treibt nichts an, ist kaum vereint.

Was geht dich denn die Menschheit an?
Fragt da der heitre Lebemann.
Sei selbst mal frei und leb dich aus
Trink Wein und iss vom Lebensschmaus.

Wieso den ich? Ich selbst? Nein, Nein
Ich bin ein Diener, schwach und klein
Bin nicht auf eigne Freud erpicht
Mein Leben ist nicht von Gewicht.

Da staunte unser Lebemann
Wenn du so denkst, wen wundert’s dann
Sagst du so jedem, er sei klein
Und nicht zum Spaß bisweil’n beim Sein
So ist’s kein Wunder, dass sie schreien.

Der Dichter und alte Frau

Es sprach zum jungen Dichter einst
’ne alte Frau, verfemt und greis

Was willst du nur von Dingen sagen
Die du nicht kennst und dich nicht plagen
Bist viel zu jung für´s lange Leben
Um es in Worte aufzuheben
So laß das Unsinnschreiben sein
Und schaffe in den Tag hinein.

Da lächelte der junge Schreiber
Er sagte nichts und schrieb nur weiter

Heut noch sind meine Augen klar
Mein Blick sieht alles wunderbar
Und vieles was ich sehen kann
Kenn ich noch nicht und schreibe dann
Wie ich vor einem simplen Regen
Erstaun als wär’s ein Himmelssegen
Das was ich nicht erblicken kann
Und was vielleicht erst irgendwann
An mich gespült vom Lebensmeer
Dass träum ich mir schon heute her
Es reicht mir meine Phantasie
Selbst zu erblicken was ich nie
In meinem ganzen Lebenstage
Erleben werd’, wenn’s Stündlein schlage
Und woher, wenn nicht aus mein Träumen
Nehm’ ich die Ziele die mir säumten
Nach meinem kurzen Erdengang
Die ich erfüllt nun nennen kann.

Die alte Frau stand immer noch
Ganz nüchtern da und hoffte doch
Das dieser kleine Dichtersmann
Ihr von ihr selbst erzählen kann
Von Zeiten als sie selber dachte
Das sie in einem Traum erwachte.

Das Dichterleben

Es lag ein Dichter, warm und fett
Nicht hungrig und mit Frauen im Bett
Der Krieg war weit und nah der Wein
Was soll da noch zu dichten sein.

So lebte er, entlass die Zeit
Befriedigt und befreit von Leid
Und wenn sich doch Gedanken zwingen
So stören sie mehr, als dass sie bringen.

Wenn er sich zwang, einmal zu schreiben
Nützte es mehr, er ließ es bleiben
Denn was er da zu Blatte bringt
Klingt seicht und schmucklos, lahm und leer
Kurz um; er ist kein Dichter mehr.

Als der dies merkte, ging er fort
Allein, verstört an einen Ort
An dem ihm nichts beschieden war
Nicht Frauen, Freunde, Geld in bar.

Dort litt er, täglich, jämmerlich
Und sah sich selbst im Dämmerlicht
Bis er für sich zum Schluss gelangt
Ich häng mich an einen Baum, verdammt.

Er suchte sich einen starken Ast
An einer Eiche, hing schon fast
Als er noch schnell ein Stiftlein nahm
Und schrieb, was ihn die Welt mal kann.

Voll Leidenschaft und großer Wut
Von Trauer, Hass und Lebensglut
Hat er ein Werk so aufgeschrieben
Das bislang einzigartig ist geblieben.

Was nicht bekannt ist, wohl bemerkt
Ist ob er selbst denn noch gemerkt
Als er den Abschiedsbrief geschafft
Er sich zum Dichter selbst gemacht.